Auf einen Kaffee mit Birte Asja Detjen und Franz-Christian Falck vom Einkaufs- und Vergabezentrum: Öffentliche Beschaffung ist heute nicht mehr nur eine Frage des Geldes – auch Verantwortung spielt eine Rolle: für eine umweltfreundliche Produktion, für gute Arbeitsbedingungen, für kreislaufbasiertes Wirtschaften und für die Zukunftsfähigkeit unseres Planeten. Deshalb hat das Land Bremen den ökologischen und sozialverträglichen Einkauf gesetzlich verankert. Im Tariftreue- und Vergabegesetz ist die umweltgerechte Beschaffung von Bau-, Liefer-, und Dienstleistungen verpflichtend festgeschrieben. Und die bremische Kernarbeitsnormenverordnung schreibt vor, dass Produkte wie Textilien, Computer, Spielwaren oder Schulmöbel unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt sein müssen.
Franz Christian Falck ist seit gut sechs Jahren Leiter des Einkaufs- und Vergabezentrums bei Immobilien Bremen, welches mit seinen rund 30 Beschäftigten eine der zentralen Beschaffungsstellen für die Stadt und das Land ist. Von der Büroklammer bis zur digitalen Tafel für Schulen – die Vergabestelle hat eine Vielzahl an Rahmenverträgen für diverse Produkte geschlossen, die über das elektronische und webbasierte Einkaufssystem Bremisches elektronisches Katalog- und Bestellsystem „BreKat“ bezogen werden können.
Das Einkaufs- und Vergabezentrum ist auch die wichtigste Servicestelle für Vergaben im Land Bremen: Hier werden Vergabeverfahren im Kundenauftrag durchgeführt und koordiniert, technisch auf die Plattformen gestellt sowie Vergabeunterlagen der Dienststellen geprüft, womit auch das sogenannte „Vier-Augen-Prinzip“ erfüllt wird. Zwischen 700 bis 1.000 Vergabeverfahren pro Jahr werden bearbeitet.
Die Kunden des EVZ sind im Wesentlichen Dienststellen der Freien Hansestadt Bremen und andere öffentliche Einrichtungen aus Bremen sowie die Stadt Bremerhaven aber auch Kooperationspartner aus dem Umland.
Falck ist Jurist und war vor seiner Zeit bei Immobilien Bremen knapp 20 Jahre in der niedersächsischen Landesverwaltung tätig, bevor er 2018 nach Bremen gewechselt ist.
In seiner Freizeit genießt er das Reisen und insbesondere die damit verbundenen tollen Erlebnisse: „Man nimmt so unglaublich viel mit.“ In Bremen fährt er in seiner Freizeit gerne Fahrrad und geht mit dem Hund spazieren, am liebsten am Hodenberger Deich in Oberneuland, den er als einen seiner Lieblingsorte auserkoren hat.
Birte Asja Detjen leitet seit 2018 die Kompetenzstelle für sozialverantwortliche Beschaffung bei Immobilien Bremen. Sie ist Sozialwissenschaftlerin und Presse- und Öffentlichkeitsreferentin. Nach einiger Zeit im Rheinland hat es sie vor ein paar Jahren wieder in den Norden verschlagen.
Bei Immobilien Bremen berät sie Einkäufer:innen bezüglich der Integration sozialer Kriterien in Ausschreibungen, so dass sichergestellt wird, dass die Herstellung der Waren unter menschenwürdigen Bedingungen erfolgt. Detjen berichtet in verschiedenen Netzwerken auch über die Grenzen Bremens hinaus über innovative Projekte aus ihrem Bereich.
In Bremen mag sie besonders den Marktplatz und das Viertel. Sie verbringt ihre Zeit gerne mit Familie und Freunden, mag es, spazieren zu gehen und liebt den eigenen Garten. Darüber hinaus reist sie ebenfalls sehr gerne. Während es in früheren Jahren diverse Ziele zum Beispiel in Südamerika, den USA, Russland und Afrika waren, haben es ihr in den letzten Jahren eher der nordeuropäische Raum und Italien angetan.
Birte Asja Detjen fasst ihre Tätigkeit mit den Begriffen „recherchieren, entwickeln, beraten und netzwerken“ zusammen. „Meine Arbeit besteht aus Recherchearbeit, E-Mails schreiben, Videokonferenzen, Organisation von Veranstaltungen, Entwicklung von Projekten und Vernetzung mit anderen Kommunen, um sich über Innovationen auszutauschen. Darüber hinaus gibt es viel Kommunikation mit den Einkäufer:innen bei Vergabeverfahren.“
Als Leiter des Einkaufs- und Vergabezentrums hat Franz-Christian Falck nicht nur das Thema nachhaltige Beschaffung, sondern das gesamte Beschaffungswesen im Blick. „Meine Tätigkeit umfasst zu 90% Kommunikation in alle Richtungen“ berichtet er. Fast alles sei langfristig, mindestens aber mittelfristig angelegt und bedürfe der Abstimmung und Koordination mit vielen unterschiedlichen Leuten. „Die vielen unterschiedlichen Themen und Kontakte machen meine Tätigkeit sehr vielseitig und spannend.“ Neben der nachhaltigen Beschaffung sieht er eine weitere große Aufgabe darin, die Beschaffung weiter zu zentralisieren: „Da müssen wir immer wieder die Dienststellen überzeugen, dass sie selbst davon profitieren, wenn sie sich auf ihre Fachlichkeit konzentrieren und wir die Beschaffung übernehmen.“
Auf die Frage nach den Herausforderungen ihrer Tätigkeit antworten beide lachend „die Umsetzung!“. Birte Asja Detjen: „Hinter der nachhaltigen Beschaffung stehen hehre Ziele: Wir wollen dazu beitragen, Arbeitsbedingungen in anderen Ländern zu verbessern und Strukturen zu verändern, um den Klimawandel aufzuhalten. In der Umsetzung trifft man häufig auf behäbige Strukturen sowie strukturelle und administrative Hindernisse und muss erstmal Bewusstseinsarbeit leisten. Auch wenn Nachhaltigkeit gerade nicht so en vogue ist, arbeiten wir weiter an Ideen und Impulsen, um Veränderungen bezüglich der teilweise katastrophalen und entwürdigenden Arbeitsbedingungen in manchen Ländern anzustoßen.“
Falck ergänzt und bestätigt: „Wir merken schon, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ angesichts der weltweiten Krisen und Herausforderungen gerade ein wenig in den Hintergrund rückt, ohne dass es politisch völlig vom Radar verschwindet. Umso wichtiger ist es, dass wir an dem Thema dranbleiben, wobei wir hier in Bremen ganz gut aufgestellt sind und die Unterstützung der senatorischen Behörde haben. Aber es gehören viel Geduld und Hartnäckigkeit dazu, die einzelnen Dienststellen zu überzeugen.“
Als Beispiel führt er einen Wasserkocher an; das nachhaltige Modell, welches beispielsweise reparierbar ist und über den Blauen Engel (Anmerkung der Redaktion: Umweltsiegel) verfügt, ist leider auch vergleichsweise teuer. Es gibt noch ein günstigeres, aber nicht komplett nachhaltiges Modell im BreKat, um zu verhindern, dass die Dienststellen in den großen Elektronikmärkten kaufen. Manchmal muss man erst einen Kompromiss finden, bis man zu 100 Prozent nachhaltige und preisgünstige Produkte anbieten kann. Bei vielen anderen Beispielen sind die Preisunterschiede dagegen nicht so groß oder gar nicht gegeben, so dass die Kolleg:innen des Einkaufs- und Vergabezentrums gute Alternativen anbieten können, die fair und nachhaltig produziert worden sind, insbesondere wenn man das Recycling, die Entsorgungskosten und den CO2-Fußbadruck berücksichtigt. Die ökologisch hergestellten Produkte sind im BreKat übrigens mit einem Blättchen und die sozialverantwortlich beschafften Produkte mit einem Icon stilisierter Personen dargestellt.
Eine absolut notwendige Eigenschaft, die die Kolleg:innen in diesem Bereich mitbringen müssen ist Hartnäckigkeit – da sind sich beide sehr einig. Falck: „Ohne Hartnäckigkeit und Kommunikationsfähigkeit wird man einfach stehen gelassen. Aber in Bremen haben wir aufgrund der kurzen Wege auch gute Bedingungen, uns immer wieder ins Gespräch zu bringen.“ Birte Detjen ergänzt: „Besonders stolz sind wir auf unsere innovative Kraft, durch die wir auch bundesweit Vorreiter sind. Eine ganz besondere Ausschreibung war zum Beispiel die Beschaffung zirkulärer T-Shirts und Poloshirts, bei der wir als erste deutsche Kommune eine Lieferkettennachverfolgung bis in die Fertigungsfabrik durchgeführt haben. In der Produktionsstätte in Bangladesch wurde in unserem Auftrag ein sogenanntes Beyond Audit durchgeführt – das waren vertrauensvolle Gespräche mit Arbeiterinnen und Management, durch die Schieflagen u.a. in der Arbeitssicherheit deutlich wurden und an deren Verbesserung wir anschließend zusammengearbeitet haben. Die Shirts haben wir übrigens in einer gemeinsamen Ausschreibung mit der Polizei Berlin und den Städten Oldenburg, Karlsruhe und Bremerhaven beschafft.“
„Ich mag an meiner Tätigkeit die Freiheit, neue Dinge zu erschaffen, an Projekten zu arbeiten und gemeinsam mit anderen etwas zu erreichen. Außerdem genieße ich es, mit so vielen tollen und engagierten Menschen zusammenzuarbeiten, die sich in unserem Bereich für Gerechtigkeit und Menschenwürde einsetzen.“ erklärt Frau Detjen, die ihr leidenschaftliches entwicklungspolitisches Interesse übrigens schon in ihrer späten Kindheit entwickelt hat: „Schuld ist eigentlich Karl May. Während ich seine Bücher las, fing ich an, mich für indigene Kulturen zu interessieren. Entwicklungspolitische Fragestellungen tauchten dabei nach und nach selbstverständlich auch auf.“
Falck: „Mir gefällt neben der Vielseitigkeit der Umgang und die Zusammenarbeit mit sehr vielen Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Spaß machen auch immer wieder die Länderarbeitsgruppen beim Städtetag oder Netzwerktreffen zu nachhaltiger Beschaffung, weil man immer wieder unterschiedliche Sichtweisen kennenlernt und reflektieren darf. Ich habe in meinem Job sehr viele Freiheiten, was ich sehr genieße. Vieles geht nicht von heute auf morgen, aber irgendwann sieht man doch die Ergebnisse.“
Beide genießen darüber hinaus die flexiblen Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit zu ortsflexiblen Arbeiten, das Engagement und familiäre Miteinander sowie die kurzen Wege in Bremen.
„Es wäre gut, wenn man meinen Arbeitsplatz in Zukunft inhaltlich nicht mehr brauchen würde, aber das wird nicht der Fall sein. Ich würde mir bundesweit und auf europäischer Ebene einheitliche Beschaffungsregeln wünschen und digitale Plattformen mit nachhaltigen Produkten, auf die alle niedrigschwellig zugreifen können“, betont Birte Asja Detjen. „Insbesondere die skandinavischen und baltischen Länder, aber auch die Niederlande, Großbritannien oder einige afrikanische Länder wie beispielsweise Südafrika und Ghana sind in einigen Bereichen der nachhaltigen Beschaffung deutlich besser aufgestellt. Für Südafrika gilt das insbesondere für das Monitoring, wo sie uns erheblich voraus sind.“ Da Bremen im bundesweiten Vergleich ganz vorne dabei ist, suchen die Kolleg:innen des Einkaufs- und Vergabezentrums gerne den wertvollen internationalen Austausch, um lernen und Anregungen aufgreifen zu können.
Was die Beschaffungsprozesse betrifft, geht Franz-Christian Falck davon aus, dass künftig die KI eine deutlich größere Rolle in den Prozessen spielen wird und dass hoffentlich sämtliche Prozesse digital stattfinden.
Fotos: Michael Schnelle, SKB Bremen