Seit Februar 2022 heißt die Migrations- und Integrationsbeauftragte im Bundesland Bremen Nadezhda Milanova. Sie ist in Bulgarien geboren und lebt seit 2003 in Deutschland. Die Diplom-Betriebswirtin ist seit ihrem Studium in Osnabrück migrationspolitisch aktiv und hat in Osnabrück sowie in Bremen langjährige Verwaltungserfahrung gesammelt. Seit 2010 ist sie in Bremen als Referentin und Referatsleiterin in den Ressorts Finanzen, Justiz und Verfassung sowie Wirtschaft, Arbeit und Europa tätig gewesen, bevor sie ihre jetzige Stelle angetreten ist.
Frau Milanova liebt und lebt ihre anspruchsvolle und aufregende Tätigkeit. Ihr Lieblingsplatz in Bremen ist am Wasser; ganz besonders angetan haben es ihr die Sonnenuntergänge am Weserbogen.
„Ich führe viele Gespräche, ich koordiniere sehr viel und ich baue Brücken. Kein Tag ist wie der andere.“ Frau Milanova leitet neben ihrer Funktion als Migrations- und Integrationsbeauftragte das Referat für Integrationspolitik bei der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration. Sie und ihr Team von 8 Mitarbeitenden koordinieren Maßnahmen im Bereich Integration für den Senat und beraten die Verwaltung, aber auch Bürger:innen oder Organisationen der Zivilgesellschaft in integrationspolitischen Fragen.
Nadezhda Milanovas Arbeitstag ist in aller Regel geprägt durch sehr viele Sitzungen, Gespräche und häufige Stellungnahmen zu Senatsvorlagen, Anfragen aus der Bürgerschaft oder von Bürger:innen oder anderer Stellen. Derzeit beschäftigt das Referat beispielsweise die Neukonstituierung des Bremer Rats für Diversität und Teilhabe in der Migrationsgesellschaft, der ab Oktober 2025 als Nachfolgegremium des Bremer Rats für Integration Sichtweisen und Interessen von Menschen mit Zuwanderungserfahrung auf Senatsebene in die politische Debatte einbringen soll.
„Wir bekommen aber auch viele direkte Anfragen von Bürger:innen, die uns bei Herausforderungen vor allem mit Behörden kontaktieren. Das sind häufig Fragen zum Aufenthaltsstatus, zu Diskriminierungen oder aber zu ausgebliebenen Leistungen.“
Frau Milanova ist darüber hinaus bundesweit sehr gut vernetzt. „Wir tauschen uns viel mit den Kolleg:innen aus den anderen Bundesländern oder auch aus den Kommunen aus und bringen Themen gemeinsam auf den Weg. Integration ist ein Querschnittsthema und damit unheimlich breit; es hat beispielsweise viele Anknüpfungen zu den Bereichen Bildung, Wohnen oder Arbeitsmarkt. Wir versuchen die migrantische Perspektive in das Verwaltungshandeln zu bringen, denn Bremen ist diesbezüglich das bunteste Bundesland!“ Etwa 41 % der hier lebenden Menschen haben eine Migrationsbiografie*, bei den Kindern und Jugendlichen sind es bereits 67 %. „Die Kolleg:innen in Nordrhein-Westfalen sind ein bisschen beleidigt“, erzählt Frau Milanova lachend, „da sie dort lange das Selbstverständnis hatten, sie seien das bunteste und vielfältigste Bundesland.“ Bremen hat sie allerdings bezüglich der Anteile mit Migrationsbiografie an der Bevölkerung überholt.
„Eine der größten Herausforderungen ist es, trotz der angespannten Haushaltslage und der großen Aufgaben und Bedarfe, die Mittel so fokussiert einzusetzen, dass sie Wirkung erzielen. Integration ist oft ein Containerbegriff und wird durchaus in einigen Debatten auch als freiwillige Aufgabe bezeichnet. Während Eingliederungshilfen oder Wohnungshilfen bspw. gesetzlich verpflichtende Leistungen sind, ist der Staat beziehungsweise das Land Bremen nicht verpflichtet, Sprachkurse oder Integrationsberatung anzubieten. Genau das sind aber aus Sicht der allermeisten Akteur:innen in diesem Bereich die zentralen Integrationsaufgaben. Für Bremen ist die zentrale Herausforderung zudem das Thema Partizipation bzw. Teilhabe, denn Integration ist der erste Part, Teilhabe ist der Zweite. Während die Eingliederung in das Leben in den ersten Jahren hier, durch das Lernen der Sprache, der Lebensgewohnheiten, der Jobsuche, Eingewöhnung der Kinder in KiTa und/oder Schule und ähnliche Dinge gekennzeichnet ist, zeigen doch viele Studien, dass Menschen mit Migrationsbiografie nicht die gleichen Zugänge zu den unterschiedlichen Lebensbereichen haben wie Menschen, die deutsch gelesen werden. Wir haben viele Mitbürger:innen, die hier geboren sind, ihre Vorfahren lange hier leben und trotzdem erfahren sie Diskriminierung bei der Wohnungssuche oder bei der Arbeit zum Beispiel. Hier gibt es noch einige Hürden. Mehr Offenheit zu schaffen und dafür zu sensibilisieren, dass wir noch Handlungsbedarf haben, Betroffene zu schützen – das ist mitunter eine Herausforderung und ein Bereich, wo sehr viele Brücken gebaut werden müssen. Der Handlungsbedarf an der Stelle ist extrem hoch.“
Um ihre Tätigkeit mit Spaß und Erfolg ausführen zu können, bedarf es laut Nadezhda Milanova „einer gehörigen Portion Neugier, Offenheit und Unvoreingenommenheit, weil wir mit so vielen Menschen mit teilweise komplett unterschiedlichen Hintergründen und persönlichen Merkmalen zusammenkommen. Damit Probleme gelöst werden können, indem wir die gemeinsame Schnittmenge finden, braucht man aber auch viel Geduld, Hartnäckigkeit und eine gewisse Streitkultur, weil häufig viele divergierende Meinungen aufeinandertreffen. Das ist genau das, was ich an dem Job so mag, was mich aber andererseits auch immer wieder herausfordert.“
„Da sind so viele spannende, witzige, komische und manchmal auch traurige Begegnungen und Geschichten, die meinen Horizont erweitern. Zudem habe ich den Eindruck, dass wir etwas bewegen können. Ich habe ein super Team an meiner Seite, ohne das vieles nicht möglich wäre. Das sind für mich die Hauptmotivatoren, die dazu führen, dass ich jeden Tag mit Lust auf mein Fahrrad steige, um ins Büro zu fahren. Lustige und unfreiwillig komische Situationen entstehen oft und häufig aufgrund sprachlicher Unterschiede und unterschiedlicher Systemkenntnisse, die schnell zu Missverständnissen oder unterschiedlichen Interpretationen führen können.
An der Arbeitgeberin Freie Hansestadt Bremen faszinieren mich die vielen Möglichkeiten, ganz unterschiedliche Dinge machen zu können. Dabei haben meine Kolleg:innen und ich in jeder Funktion immer das Ziel vor Augen, das Leben der Bürger:innen in Bremen und Bremerhaven jeden Tag ein Stückchen besser zu machen.“
„Da sich die Bevölkerungsstruktur derzeit rasant weiter verändert, wird meine Tätigkeit sicher auch noch in den nächsten zehn Jahren benötigt. Meine Vision ist, dass mein Job in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt wird, weil der Zusammenhalt und das Miteinander in der Migrationsgesellschaft zum Normalfall geworden sind. Die Digitalisierung wird sicherlich dazu führen, dass mehrsprachige Angebote künftig kein Thema mehr sind. Mithilfe der KI werden Übersetzungen in alle Sprachen kostengünstig und mit einem Klick möglich sein. Das vereinfacht für viele Menschen das Ausfüllen der Formulare und Anträge.
Darüber hinaus wünsche ich mir, dass Dialog und Diskurs über Diskriminierung und Rassismus in zehn Jahren entspannter geführt werden können. Ich hoffe, dass die Menschen lernen, Widersprüchlichkeit und Unterschiede besser aushalten zu können, sich mehr auf das Gemeinsame konzentrieren und Wege suchen, wie wir unser Leben im Land Bremen gestalten, dass möglichst viele daran gut und gerecht teilhaben können.
* Anmerkung der Redaktion: Eine Person hat laut Statistischem Bundesamt „einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde“. Die Länder haben sich vor einigen Jahren allerdings auf die Verwendung des Begriffes „Migrationsbiografie“ verständigt, da der Begriff „Migrationshintergrund“ zum einen zunehmend negativ konnotiert ist und zum anderen sich viele Personen durch diesen nicht abgebildet fühlen. In statistischen Erhebungen wird er allerdings weiterhin verwendet.
Fotos: Heike Klobes, AFZ-50